Meldung
02.05.2024

Innovationen für morgen: Digitale Technologien auf der Hannover Messe

Wie kann Künstliche Intelligenz bei Naturkatastrophen, Pandemien oder Lieferengpässen helfen? Wie können Rechenzentren energieeffizienter werden? Und was macht ein grüner Digitaler Zwilling bei der Bierherstellung? Antworten auf diese und weitere Fragen lieferten Anwendungsbeispiele aus der Technologieförderung des BMWK.

Der digitale Wandel begegnet uns überall, und speziell die Wirtschaft durchläuft disruptive Prozesse. Von besonderer Bedeutung für das BMWK ist es daher, Unternehmen auf dem Weg zu einer erfolgreichen digitalen und nachhaltigen Transformation zu begleiten und zu unterstützen. Wie das konkret aussieht, zeigten auf der Hannover Messe zahlreiche im Programm „Entwicklung Digitaler Technologien“ geförderte Projekte. Schwerpunkte lagen in den Themen Quantencomputing, Künstliche Intelligenz, 5G-Campusnetze und GreenTech.

PAIRS – mit Daten Krisensituationen besser bewältigen
Krisenereignisse wie Erdbeben, Überschwemmungen, Pandemien oder Kriege haben weitreichende Folgen: Sie führen nicht nur zu kurzfristigen Belastungen der Bevölkerung durch Zerstörung oder Ausfall kritischer Infrastrukturen, sondern auch zu mittel- und langfristigen wirtschaftlichen und politischen Risiken und Folgen, wie z. B. Qualitätsschwankungen von Rohmaterialien oder Lieferengpässen.
Hier setzt das Projekt PAIRS an. Ziel ist, eine domänenübergreifende Plattform für ein KI-gestütztes Krisenmanagement in die Anwendung zu bringen. Hybride KI-Technologien sollen helfen, schwierige und gefährliche Situationen zu erkennen, zu antizipieren und Handlungsempfehlungen abzuleiten. So können durch Krisen ausgelöste Wechselwirkungen abgefedert und die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen nachhaltig gestärkt werden.
Besucherinnen und Besucher konnten auf der Hannover Messe 2024 die Projektergebnisse anhand eines Tischdemonstrators unmittelbar nachvollziehen. Dargestellt wurden Herausforderungen aus unterschiedlichen Bereichen innerhalb einer gemeinsamen „Modullandschaft“. Natalie Gdanitz vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) erklärte, wie mit Hilfe von KI regionale Stromausfälle vorhergesagt werden können. Ein weiteres Beispiel ist die Möglichkeit, über Signale in sozialen Medien, wie etwa einschlägige Keywords, bevorstehende Finanz- oder Energiekrisen zu erkennen. Ein „Hidden Problem Detector“ macht es möglich, versteckte Probleme in komponentenbasierten Lieferketten aufzudecken, z. B. wenn es für ein Produkt nur einen Hersteller gibt oder etwas nicht mehr verfügbar ist. Die vom PAIRS-Team entwickelten Module werden bereits pilothaft angewendet. So ermittelt die Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (THW) auf dem Gebiet des Bevölkerungsschutzes die Möglichkeiten einer KI-gestützten Personalplanung. Tobias Spanke, THW, erklärt: „Das in PAIRS entwickelte Modul zeigt, wie in der Zukunft KI in unserer Arbeit eingesetzt werden könnte. Zum Beispiel in Krisenfällen wie Starkregen oder Überflutungen, wenn es darum geht, vorausschauend zu planen: Wie viel Personal brauchen wir vor Ort, müssen wir Verpflegung einplanen, brauchen wir Unterkünfte?“
Das Projektteam plant, die Plattform stetig weiterzuentwickeln, auch durch die frühzeitige Einbindung von Partnern wie dem THW. So soll der Transfer in die verschiedenen Anwendungsbereiche gezielt angestoßen werden – und der Wirtschaftsstandort Deutschland bestmöglich auf Krisensituationen vorbereitet sein.

Die PAIRS-Modullandschaft
Die PAIRS-Modullandschaft, erklärt von Natalie Gdanitz, DFKI, mit Tobias Spanke, THW
© DLR-PT

ESCADE – mehr Nachhaltigkeit für Rechenzentren
Generative KI ist energieintensiv, sowohl beim Training als auch beim Einsatz der Modelle. So benötigt das Training eines Sprachverarbeitungsmodells wie GPT-3 rund 1.200.000 Kilowattstunden. Der Betrieb des darauf basierenden Dienstes ChatGPT verbraucht monatlich schätzungsweise die gleiche Menge Strom. Betreiber von Rechenzentren, KI-Entwickler und Nutzer stehen vor der Herausforderung, den Energieverbrauch zu reduzieren, um Kosten zu senken und nachhaltiger zu agieren.
Das Projekt ESCADE untersucht, wie fortschrittliche Hard- und Softwaretechnologien den Energiebedarf von Rechenzentren senken und den ökologischen Fußabdruck von KI-Anwendungen verbessern können. Ziel ist, umweltfreundliche KI-Anwendungen zu entwickeln, die den Prinzipien der Nachhaltigkeit folgen und in energieeffizienten Rechenzentren betrieben werden können. Ein Anwendungsbeispiel ist der Einsatz von Visual Computing, um Stahlschrott für das Recycling effizient zu sortieren. Dazu kommt eine verteilte Architektur zum Einsatz, die verschiedene KI-Modelle und Szenarien hinsichtlich ihrer Energieeffizienz testet und bewertet.
Am Messestand zeigte ein Demonstrator, wie mit Hilfe einer Drohne und eines NVIDIA Jetson Boards Stahlschrott auf dem Gelände eines Stahlwerks in Echtzeit klassifiziert werden kann. Ziel ist eine nachhaltigere und wirtschaftliche Produktion von höherwertigem Stahl. Dabei werden gleichzeitig Energieprofile erstellt, um den Energieaufwand des KI-Einsatzes zu messen und mit den positiven Nachhaltigkeitseffekten der Anwendung sowie anderen Szenarien zu vergleichen.
Besonders vielversprechend ist das Potenzial von neuromorphen – also dem menschlichen Hirn nachempfundenen – Chips. Es wird erforscht, ob diese im Vergleich zu herkömmlicher Hardware energieeffizienter sind.
Dusan Dokic, wissenschaftlicher Mitarbeiter am DFKI, zieht eine positive Bilanz des Messeauftritts: „Das Interesse der Messebesucherinnen und -besucher an unserem Konzept ist groß und überraschend vielfältig – vom Handwerker, der mit Hilfe von KI den Zustand von Hausdächern überprüfen möchte, bis hin zu einem Kollegen aus Indonesien, der Waldbrände analysieren möchte, um festzustellen, wie das Feuer sich verteilt.“

GreenBotAI – intelligente, flexible und nachhaltige Robotik für die Fertigungsindustrie
Mit intelligenter Robotik die Produktion auch bei schwierigen Rahmenbedingungen wie Lieferengpässen, Pandemien und zunehmendem Wettbewerb aufrechterhalten: Das ist das Ziel des Projekts GreenBotAI.
Das deutsch-französische, vom Fraunhofer IWU koordinierte Forschungsprojekt verfolgt drei Ziele: eine industrielle Fertigung, die auch in Pandemiezeiten nicht abreißt, mehr Unabhängigkeit für Europa in der Produktionsautomatisierung und ein deutlich reduzierter Energieverbrauch von Robotern in europäischen Fabriken.
Der Ansatz: eine flexiblere und schnellere Fertigung mit Hilfe von KI-Algorithmen und eine intelligente Robotik, die komplexe Aufgaben auch spontan erledigen kann. Das Ganze geht einher mit einer Senkung des Energieverbrauchs – angestrebt werden bis zu 25 Prozent, möglich durch datenreduzierte KI-Modelle, beschleunigte Greifaufgaben und eine verringerte Rechenleistung.
Der bisher erzielte Projektfortschritt war am Messestand erstmals live erlebbar. Zum Einsatz kommen ein Roboter, ein in 2D aufgenommenes Einzelbild eines Bauteils und wenig Rechenleistung. Prof. Ruth Otto, Hochschule München: „Was die Besucherinnen und Besucher hier am Messestand erleben, wird hoffentlich bald Realität in der industriellen Produktion. Ich gehe davon aus, dass einzelne Komponenten unserer Entwicklung bereits in ca. zwei Jahren in europäischen Fabriken zum Einsatz kommen werden. Pilotprojekte bei unseren Partnern sind bereits in Planung.“

Live-Demo am BMWK-Stand
Live-Demo am BMWK-Stand: Axel Voß (BMWK, ganz links) und Prof. Ruth Otto (Hochschule München (2. v. l.)
© DLR-PT

BeverGreen – ein Digitaler Zwilling für die Brauwirtschaft
Hohe Anforderungen in den Bereichen Klimaschutz und Resilienz sowie steigende Energie- und Rohstoffkosten betreffen viele Lebens- und Arbeitsbereiche. Ein besonders alltagsnahes Beispiel konnten Messebesucherinnen und -besucher am Stand des Projekts BeverGreen kennenlernen. Die Vision der Projektpartner ist nicht weniger als die CO2-neutrale Transformation der Getränke- und Brauwirtschaft, vom Produktionsprozess bis zur Lieferkette. BeverGreen setzt auf dem Vorgängerprojekt DaPro auf – Datengetriebene Prozessoptimierung mit Hilfe Maschinellen Lernens in der Getränkeindustrie. Dort wurden mit Hilfe von ML-Algorithmen die Malzausbeute im Sudhaus, Optimierungspotentiale in der Getränkeabfüllung sowie die Vermeidung von Lastspitzen in der Kälteerzeugung erforscht. Das Projekt BeverGreen möchte nun den nächsten Schritt in Richtung einer nachhaltigeren Getränkeproduktion gehen, insbesondere beim Brauen. Ein grüner Digitaler Zwilling soll eine präzise Integration und Auswertung von Daten – darunter Energiedaten und CO2-Äquivalente – möglich machen, so dass Optimierungspotenziale identifizierbar werden. Ziel ist, auf diese Weise wesentliche Fortschritte in den Bereichen Energiemanagement, Leergutlogistik und Nachhaltigkeitsindikatoren zu erreichen.
Das Team um David Wagstyl vom RIF Institut für Forschung und Transfer e. V. erklärte am Messestand verschiedene Use Cases. So ist der Geschmack ein stetiges Thema – und sollte aus Sicht der Brauereien keine Veränderungen erfahren – denn Tradition ist, wenn jeder Schluck dieselbe Geschichte erzählt. Um das zu gewährleisten, wurde, an das Vorgängerprojekt DaPro anknüpfend, ein KI-Prozess entwickelt, der es erlaubt, die Verarbeitbarkeit des Malzes bereits im Wareneingang vorherzusagen. Ein zweiter Use Case betrifft die Prognose von Energiespitzen. Weitere Forschungsthemen, denen das Projektteam sich widmet, drehen sich um die optimale Nutzung von Wärme und Strom sowie den Mehrwegkreislauf.

Keine graue Theorie: Gäste konnten sich beim Geschmackstest vom Projekterfolg überzeugen
Keine graue Theorie: Gäste konnten sich beim Geschmackstest vom Projekterfolg überzeugen – der Bierdemonstrator, präsentiert von David Wagstyl, RIF Institut
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GanResiIRob – Elektroschrott mit intelligenter Robotik flexibel recyclen
Um Elektrobauteile dem Wertstoffkreislauf zuführen zu können, muss dieser zunächst in seine Bestandteile zerlegt werden. Erst nachdem gefährliche oder unverwertbare Bauteile entfernt wurden, ist eine Verwertung überhaupt möglich. Die Demontage ist komplex und erfordert eine Vielzahl von Arbeitsschritten und kraftbasierten Handhabungen. Dieser Vorgang wird daher bisher noch überwiegend von Hand ausgeführt. Das Ziel des Projekts GanResiIRob ist, den Prozess mit einem flexiblen Roboter für die Produktion und Demontage zu automatisieren. Am Messestand des FZI Forschungszentrum Informatik zeigte ein Demonstrator, wie durch gelernte Handhabungsstrategien selbst schwierige Bauteile trotz Verklemmungen demontiert werden können. Durch 3D-Sensoren wird der Arbeitsraum während der Ausführung überwacht, so dass die Bewegungen des Arms sofort an Hindernisse angepasst werden können. Durch das flexible roboterbasierte Recycling von Elektroschrott können Elektronikkomponenten effektiver zerlegt und die Einzelteile so dem Recyclingkreislauf zugeführt werden. Die Rückgewinnung der eingesetzten Ressourcen schont Rohstoffe und ermöglicht eine frühzeitige Entfernung von Schadstoffen.

Flexibler Roboter
Flexibler Roboter, präsentiert von Georg Heppner, FZI Forschungszentrum Informatik
© DLR-PT

Axel Voß, Leiter des Referats VIB3, Entwicklung digitaler Technologien, BMWK, zieht eine positive Bilanz der Hannover Messe: „Mit ihren Demonstratoren und Exponaten machen die in unseren Technologieprogrammen geförderten Projekte greifbar, wie wichtig digitale Innovationen für eine nachhaltige, resiliente und wettbewerbsfähige Wirtschaft sind. Gezielte Unterstützung und die strategische Zusammenarbeit mit Partnern machen den Standort Deutschland fit für die Zukunft, zum Beispiel, wenn es darum geht, Krisensituationen zu bewältigen, für mehr Nachhaltigkeit zu sorgen oder Prozesse effizienter zu machen. Ich freue mich darauf, die weiteren Fortschritte der Projekte zu begleiten – und spätestens auf der Hannover Messe 2025 die spannenden Gespräche von heute fortzusetzen.“

Weiterführende Links:
Projekt-Website PAIRS
Projekt-Website ESCADE
Projekt-Website GreenBotAI
Projekt-Website BeverGreen
Projekt-Website GanResiIRob
Artikel „Leitprojekt CampusOS auf der Hannover Messe“
Artikel „Die Welt der Quanten auf der Hannover Messe“