Erster Förderaufruf
KEEN – KI-Inkubator-Labore in der Prozessindustrie
KI für die Prozessindustrie
Die Prozessindustrie bereitet Rohstoffe zur industriellen Weiterverarbeitung auf. Zu der Branche zählen etwa Chemie- und Pharmazie-, aber auch Lebensmittelunternehmen. Im Projekt KEEN werden KI-Anwendungen für die chemische und biotechnologische Industrie entwickelt. Damit können Produktionsprozesse optimiert, der Ressourcenverbrauch gesenkt sowie neue Produkte schneller entwickelt und auf den Markt gebracht werden. Durch diese vorausschauende Produktion wird die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen der Prozessindustrie weiter gestärkt.
Partner
ABB AG, AIR LIQUIDE Forschung und Entwicklung GmbH, Bayer Aktiengesellschaft, CGC Capital-Gain Consultants GmbH, Covestro Deutschland AG, DDBST - Dortmund Data Bank Software & Separation Technology GmbH, DECHEMA Gesellschaft für Chemische Technik und Biotechnologie e.V., Inosim Consulting GmbH, Evonik Operations GmbH, Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung eingetragener Verein, Krohne Innovation GmbH, LeiKon GmbH, MERCK Kommanditgesellschaft auf Aktien, SAMSON AKTIENGESELLSCHAFT, Technische Universität Berlin, Technische Universität Dortmund, Technische Universität Dresden (Konsortialführer), Technische Universität Kaiserslautern, X-Visual Technologies GmbH
Herausforderung
Die Prozessindustrie ist der drittgrößte Wirtschaftszweig Deutschlands. Viele deutsche Unternehmen sind mit ihren Produkten wie Kunststoffen oder Hightech-Materialen (z.B. Flüssigkristalle) Weltmarktführer, stehen jedoch in einem starken internationalen Wettbewerb. Langfristig lässt sich nur durch eine höhere Energie- und Ressourceneffizienz und flexiblere Anlagen die starke Position der deutschen Anbieter halten. Der Automatisierungsgrad ist in der Branche bereits sehr hoch. Die Einsatzmöglichkeiten datengetriebener KI-Methoden sind jedoch kaum untersucht und die Potenziale entsprechend noch nicht gehoben. Das will KEEN mit der Entwicklung praktisch einsetzbarer Lösungen ändern, die KI und etablierte verfahrenstechnische Ansätze kombinieren. Damit soll die Akzeptanz von KI-Methoden in der Prozessindustrie als auch die Wirtschaftlichkeit von Prozessen und Anlagen wesentlich verbessert werden.
Umsetzung
KEEN versteht sich als Kooperationsplattform zur Entwicklung und Erprobung von universell adaptierbaren KI-Lösungen für die Prozessindustrie. Zentral ist dabei die technologische Offenheit der Plattform, welche die Zusammenarbeit aller beteiligten Projektpartner aus Industrie, Forschung und Software-Entwicklung erstmals ermöglicht.
Entwickelt werden zum einen intelligente Analysealgorithmen unter Einsatz maschineller Lernverfahren wie Deep Learning. Diese erkennen in den komplexen Prozess- und Anlagendaten automatisiert und gezielt Muster. So geben sie konkrete Hinweise über Optimierungspotenziale. Dabei ist ein Fokus des Projekts, Methoden zu erarbeiten, mit denen die Entscheidungen, Analysen und Empfehlungen der KI-Anwendungen stets nachvollziehbar bleiben (explainable AI). Dies ist notwendig, da in der adressierten Branche ein sehr hohes Sicherheits- und Qualitätsniveau nachgewiesen werden muss, etwa bei der Verwertung von Gefahrstoffen.
Zum anderen entwickelt KEEN sogenannte Digitale Zwillinge, also virtuelle Abbilder existierender oder geplanter Anlagen. Mit diesen können Änderungen an Herstellungsprozessen virtuell durchgespielt werden, was zeitraubende Experimente und Produktionsunterbrechungen an den reellen Anlagen ersetzt.
Anwendung und Nutzen
Die KEEN-Plattform bietet erklärbare KI-Anwendungen für die Prozessindustrie. Dazu werden u.a. drei KI-Inkubator-Labore aufgebaut, in denen KI-Methoden im Bereich des Anlagenengineerings und der Prozessoptimierung erprobt werden. Im Anschluss an die Förderphase sollen diese Methoden auf den Markt gebracht werden. Während der Förderphase konzentriert sich der Anwenderkreis auf die chemische und biotechnologische Industrie. Andere Industriezweige, die langfristig von KEEN profitieren können, sind beispielsweise die Nahrungsmittelverarbeitung, die Wasseraufbereitung und die pharmazeutische Industrie.
Im Projekt werden mehr als vierzig Use Cases in mehreren, bei Projektpartnern angesiedelten und nachfolgend benannten Inkubator-Laboren geprüft und evaluiert.
Prozessentwicklung (Modellierung)
Bei der Prozessentwicklung wird KI eingesetzt, um den Aufwand bei der Entwicklung neuer Produktionsprozesse und Produkte zu verringern. Außerdem wird KI dazu genutzt, zeiteffiziente Simulationsmodelle für komplexe Prozesse zu erstellen und auszuwerten. Das Ziel ist die Erstellung hybrider Modelle, die datengetriebene Verfahren mit dem in der chemischen Industrie reichhaltig vorhandenen Wissen über physikalische Gesetzmäßigkeiten verbinden. Auf dem Gebiet der Stoffeigenschaften wurde bisher eine softwareprototypische Realisierung von Recommendersystemen demonstriert. Die Nutzung der neuen Technologie wird derzeit zusammen mit den wissenschaftlichen und industriellen Partnern getestet.
Anlagenplanung (Engineering)
Im Bereich der Anlagenplanung gelingt mit KI-Methoden die Zusammenstellung neuer Anlagen aus mehreren autarken Anlagenmodulen nach dem Baukastensystem schneller als bisher im traditionellen, manuellen Verfahren. KI wird bereits erfolgreich zur Mustererkennung in R&I-Fließbilden eingesetzt, die im DEXPI-Format vorliegen. Ziel ist es, KI-basierte Vorschlagsalgorithmen für Ausstattung und Rohrleitungskomponenten mit anschließender Konsistenzprüfung zu entwickeln. Des Weiteren unterstützen maschinelle Lernverfahren eine sicherere Anlagenplanung, indem Wissen aus vorhandenen Planungsszenarien mit ähnlichen Risikoanalysen oder Sicherheitskonzepten zur Verbesserung der Planung genutzt wird.
Optimierung von Prozessen und Anlagenbetrieb
Bei der Prozessoptimierung und dem Anlagenbetrieb steht im Fokus der Anwendungsfälle zum einen die Frage, wie KI Anlagenbetreuer bei Entscheidungen unterstützt. Außerdem wird erprobt, wie Fehler im Anlagenbetrieb mit KI-Methoden schneller erkannt (Predictive Maintance) und möglichst automatisch Gegenmaßnahmen eingeleitet werden können. Es wird derzeit ein Detektor entwickelt und getestet, der in der Lage ist, aus Bilddaten verschiedene Betriebszustände an einer Extraktionskolonne zu erkennen. Die Aufgabe wurde u.a. im KEEN-Hackathon gestellt, der von März bis Juni 2021 virtuell stattfand.
Ohne KEEN | Mit KEEN |
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Um international wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen Produkte, Prozesse und Anlagen in der Prozessindustrie schneller entwickelt werden. Mit den traditionellen Werkzeugen der Industrie ist diesem hohen Innovationsdruck nicht nachzukommen. | Mit den KI-Werkzeugen von KEEN können Prozesse, Anlagendesigns und Produkte schnell und agil entwickelt werden. Die KI fungiert als „kognitiver Verstärker“, der Ingenieure dabei unterstützt, agil und effektiv neue Lösungen zu erarbeiten. |
KI-Anwendungen sind in der Prozessindustrie bislang nur sehr begrenzt im Einsatz und die Implementierungskosten sehr hoch. Entwickelte Anwendungen sind meist auf spezifische Anwendungsfälle zugeschnitten und nicht oder nur schwer auf andere Szenarien übertragbar. | KEEN entwickelt universelle, übertragbare KI-Anwendungen als Leuchtturmprojekte für die Prozessindustrie. Erprobt und den Anwendern begreifbar gemacht werden die entwickelten Anwendungen in KI-Inkubator-Laboren. |
In der Prozessindustrie wird traditionell viel Wert auf Geheimhaltung gelegt. Wissen zu Prozessen oder Anlagendesigns bleibt meist in den Unternehmen. Eine übergreifende Vernetzung von Forschern, Entwicklern digitaler Lösungen und Anwenderunternehmen findet nicht statt. Innovationspotenzial zum gemeinsamen Entwickeln von universell einsetzbaren KI-Lösungen wird nicht ausgeschöpft. | KEEN nutzt bewusst offene Schnittstellen und einen kooperativen, sektorübergreifenden Ansatz. Die Akzeptanz bei Anwendern wird mit Leuchtturmprojekten und skalierbaren Lösungen erhöht. Dadurch wird auch Unternehmen mit weniger finanziellem Spielraum der Zugang zu Innovationen ermöglicht. |
Ein großer Teil des Prozesswissens ist nicht digitalisiert vorhanden. Durch den demographischen Wandel droht deswegen viel Wissen über Anlagen und Prozesse verloren zu gehen. | KEEN ermöglicht über intelligente KI-Systeme die digitale Erfassung, Bewahrung und Weiterverwertung von Fachwissen. |
Um Prozesse und Anlagen untersuchen zu können und Fehler oder Sicherheitslücken zu prüfen, müssen Experimente an realen Anlagen durchgeführt werden. Dafür muss dort die Produktion unterbrochen werden. | Prozesse werden nicht an den realen Anlagen überprüft, sondern anhand eines Digitalen Zwillings. So werden Produktionsunterbrechungen vermieden und im virtuellen Umfeld effizient diverse Produktionsszenarien und Anlagendesigns erprobt. |
Aufgrund mangelnder Nachvollziehbarkeit von datengetriebenen KI-Methoden und hohen Sicherheitsanforderungen fehlt es in der Prozessindustrie an Akzeptanz für KI-Methoden. | KEEN setzt verschiedene Verfahren zur Erklärung von KI-Entscheidungen ein, so dass deren Handlungsweisen stets nachvollziehbar bleiben. Dabei wird im Projekt auch untersucht und erprobt, welche Erklär-Modelle sich für unterschiedliche Szenarien am besten eignen. |