Meldung
15.01.2025
Interview mit Stefan Rouwen, Projektleiter von HitchhikeBox, zu konkreten Ergebnissen und Erkenntnissen aus der Forschungspraxis
Das Projekt HitchhikeBox hatte sich zum Ziel gesetzt, eine Technologieplattform für ein integriertes, elektrisches Mobilitäts- und Logistiksystem – eine sog. Hitchhike („Anhalter“)-Logistik – zu entwickeln und zu pilotieren. Zu diesem Zweck wurde eine Technologieplattform als Logistik-Marktplatz für kombinierte Personen- und Warenbeförderungsangebote entwickelt und erprobt. Über das System können selbstorganisierte Lieferboxen auf Basis einer dynamisch veränderlichen Lage bestehender Personen- und Logistikverkehre ihren Weg vom Absender zum Empfänger suchen und so das Verkehrsaufkommen bündeln bzw. reduzieren.
Stefan Rouwen, verantwortlicher Projektleiter beim Projekt HitchhikeBox
Herr Rouwen, welche Kernergebnisse lassen sich im Rückblick auf Ihr Projekt festhalten?
Stefan Rouwen: Viele Komponenten des im Projekt aufgebauten Gesamtsystems der von uns anvisierten Hitchhike-Logistik waren durchaus erfolgreich. Ziel war es, einen signifikanten Anteil des lokalen Warentransportes durch bereits vorhandene Ressourcen und sowieso stattfinden Fahrten abwickeln zu können. Um die Machbarkeit nachweisen zu können, sollte regionale Lebensmittel an Unternehmen und private Haushalte geliefert werden. Bei der Einführung von regionalen Marktplätzen stellt der Aufbau einer effizienten Logistik eines der größten Herausforderungen dar. Eine lokale Logistik ist oft nicht ausreichend leistungsstark oder wird zu teuer, da die Kunden hohe Anforderungen an die Flexibilität und Zuverlässigkeit von Zulieferungen haben.
Im Projekt HitchhikeBox haben wir versucht, die im Rahmen des Projektes entwickelte "HitchhikeBox", mit dem von uns pilotierten regionalen Marktplatz „Die Pfalz bringt’s“ zu testen. Es entstehen zwar aktuell noch Mehrkosten und zusätzliche Aufwände, wenn man unsere entwickelten Komponenten in der jeweiligen bestehenden Logistik einsetzt, operativ ist die Integration jedoch bereits möglich.
Wir konnten Mehrwegboxen herstellen und mit IOT-Sensoren ausrüsten, um den Zustand der Box in Bezug auf Unversehrtheit der Box und des Inhaltes sowie die Position jederzeit in Echtzeit überwachen zu können. Aufgrund des hohen Herstellkosten der HitchhikeBox muss sichergestellt sein, dass jede Box für viele hundert Liefereinsätze zur Verfügung steht. Erst wenn das Verhältnis von Herstellkosten der Box zu möglichen Liefereinsatzes deutlich unter 1€ fällt, wird ein flächendeckender Einsatz einer solchen smarten und nachhaltigen Transportbox wirtschaftlich möglich sein. Wir gehen davon aus, dass mindestens tausend bis zweitausend „HitchhikeBoxen“ produziert werden müssten, um durch eine serielle Herstellung und weitere Innovationszyklen zu einer solchen Kostenstruktur zu kommen.
Die zeitnahe Abholung der wertvollen Boxen innerhalb eines oder zumindest weniger Tage muss nach jedem Liefereinsatz als integrativer Bestandteil des Transports betrachten werden, ohne Extra-Touren, um unnötige Zusatzkosten zu vermeiden. Dieser Herausforderung sind insbesondere On-Demand-Anbieter gewachsen, weil sie täglich aufgrund ihres Kerngeschäftes mehrmals in jedem Ortsteil ihres Servicegebietes Personen abholen und aussteigen lassen. In unserem derzeitigen Servicegebiet in Neustadt an der Weinstraße und den angrenzenden Landkreisen Südliche Weinstraße und Bad Dürkheim führen wir aktuell um die 12.000 On-Demand-Fahrten pro Monat durch.
Schon heute nutzen wir unsere Flotte zu Zeiten geringerer Auslastung durch den Personentransport für Logistik-Dienstleistungen, insbesondere Kurierfahrten für Unternehmen. Dazu gehört auch die Unterstützung von Handwerksbetrieben, wenn Ihnen vor Ort Material fehlt, welches sie von ihren regionalen Zulieferern innerhalb weniger Stunden angeliefert haben möchten.
Welche Chancen gibt es für die breite Nutzung der Projektergebnisse?
Noch ist die Anzahl unserer Fahraufträge in unserem Servicegebiet nicht ausreichend, um durch die Kombination von Personen- und Warentransport vollständig ohne Zusatzkosten für die Logistik-Dienstleistungen auskommen zu können, sofern man dem Kunden eine Zustellung seiner Waren innerhalb eines Zeitfensters von maximal vier Stunden garantieren möchte. Bis Ende des Jahres 2025 wollen wir aber doppelt so viele Fahrten im gleichen Gebiet ausführen, so dass wir davon ausgehen, im Laufe des nächsten Jahres 2026 kostendeckend eine Hitchhike-Logistik an der Deutschen Weinstraße anbieten zu können.
Mit unserem Prognoseservice konnten wir zudem aufzeigen, dass die intermodale Logistik mit Boxen über den Einsatz von Hubs möglich ist. Die Ergebnisse und Vorschläge aus den Prognosen sind aktuell in manchen Fällen noch mit Vorsicht zu genießen und nicht immer die optimale Lösung. Hier brauchen wir noch mehr Daten. Die Weiterentwicklung des Prognoseservices ist aber viel mehr eine Frage der Hochskalierung und weniger eine technische Herausforderung.
Welche Chancen geben Sie der gewerblichen Nutzung der Projektergebnisse zum gegenwärtigen Zeitpunkt, Herr Rouwen?
Unser Ziel wird es sein, unseren Marktplatz „Die Pfalz bring’s“ für regionale Lebensmittel weiter auszubauen. Derzeit beliefern wir täglich Hotels, Restaurants, Krankenhäuser und Privatleute mit Backwaren. Eine Erweiterung des Warensortiments auf alle Lebensmittel des täglichen Bedarfs ist in den nächsten zwei Jahren geplant. Der Fokus wird dabei erstmal auf „Waren ohne Thermologistik“, wie zum Beispiel Backwaren oder Getränken bleiben, die unabhängig von den smarten Boxen funktionieren. Darüber hinaus soll eine Art „Online-Kiosk“ mit Lieferungen innerhalb von einer Stunde aufgebaut werden, wofür auch der Prognoseservice weiterentwickelt wird. Ziel ist auch die weitere Ertüchtigung unseres Fleet Management Systems zur Durchführung intermodaler Transporte sowie die Beteiligung verschiedener Verkehrsträger, Der Einsatz von CargoBikes und VeloTaxis konnte bereits im Rahmen des Projektes HitchhikeBox systemseitig ermöglicht und in der Praxis erprobt werden. Eine Erweiterung unserer Flotte um weitere CargoBikes und Lastenräder ist geplant, um für die im Jahr 2027 in Neustadt stattfindende Landesgartenschau gewappnet zu sein.
Steckbrief: Stefan Rouwen ist geschäftsführender Gesellschafter der MoD Holding GmbH. Die MoD Holding GmbH zählte als Mobilitäts- und Logistikdienstleister neben der TU Clausthal (Institute for Software and Systems Engineering), dem Institute for Enterprise Systems (Indes) an der Universität Mannheim, der Brehmer GmbH & Co. KG, der PrimingCloud GmbH, der Blockchain Solutions GmbH und der Overath GmbH zu den Konsortialpartnern des Projekts HitchhikeBox im Rahmen des vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) geförderten Technologieprogramms „IKT für Elektromobilität“.
Logistiksystem des Projektes HitchhikeBox
© BMWK
Weitere Informationen zum Projekt finden Sie hier.